Deutschland will keine europäische Lösung

Deutschland verbietet die Ausfuhr von Masken und Beatmungsgeräten und lehnt sogenannte Corona-Bonds ab. Das ist unsolidarisch.

Die ganze Welt kämpft mit den medizinischen und wirtschaftlichen Folgen von COVID-19. Die Auswirkungen der Pandemie betreffen aber verschiedene Teile der Welt in unterschiedlicher Stärke. Das Gesundheitswesen in Afrika oder Indien ist stärker bedroht als das Gesundheitswesen in Europa und den USA. Ebenso sind auch innerhalb der Europäischen Union verschiedene Staaten unterschiedlich stark betroffen. Während in Deutschland noch verhältnismäßig wenig Menschen an den Folgen der Atemwegserkrankung starben, brechen die Gesundheitssysteme Spaniens und Italiens zusammen. Spanien und Italien wurden schon von der letzten wirtschaftlichen Krise von 2008 stärker getroffen als Deutschland. Und die kaputtgesparten Gesundheitssysteme dieser Länder sind eine direkte Folge der von Deutschland erzwungenen Sparmaßnahmen.

Die italienische Philosophin Donatella Di Cesare sagt in einem Interview mit der
Zeit: „Doch die Italienerinnen und Italiener sind sehr enttäuscht von Europa. Warum gibt es jetzt keine europäische Politik, warum koordiniert die EU nicht die Verteilung der Masken oder Beatmungsgeräte? Die EU hat versagt, die EU ist in dieser Krise nicht da. Nicht einmal symbolisch, nicht logistisch und auch nicht politisch. In diesem konkreten Moment merken wir: Europa existiert nicht.“
Viele in Deutschland regen sich verständlicherweise darüber auf, dass die USA unter Trump Atemmasken aus China, die für Berlin bestimmt waren, beschlagnahmt hat. Aber kaum jemand stört sich daran, dass Deutschland bereits am 04.03.2020 die Ausfuhr von Masken und Beatmungsgeräten verboten hat. Dieses medizinische Material hätte Italien zu dem Zeitpunkt dringend benötigt. Dass Deutschland nun einige Patienten unter anderem aus Italien aufgenommen hat, ist ein rein symbolischer Akt.  

Nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich zeigt sich Deutschland nicht solidarisch. Deutlich wird das vor allem an dem Streit über die sogenannten Corona- oder Euro-Bonds. Staaten können am Kapitalmarkt Geld leihen. Das nennt man Staatsanleihen. Die Idee hinter den Euro-Bonds ist, dass alle EU Staaten gemeinsam Anleihen aufnehmen, um die ökonomischen Folgen des Ausnahmezustands abzumildern. Das würde dann für die ärmeren Staaten billiger, für die reicheren Staaten teurer werden. 

Nun kann man aus guten Gründen solche Anleihen kritisieren. Schließlich verdienen die Banken, die selbst eine Schuld an dem wirtschaftlichen Teil der Krise haben, an diesen. 
Das ist aber nicht der Grund, weshalb Deutschland, Österreich, die Niederlande und Finnland dieses Konzept ablehnen. Sie haben nichts dagegen, den Banken Zinsen für die Anleihen zu zahlen. Ihnen geht es darum, dass sie nicht für die Schulden der ärmeren Staaten zahlen wollen. Am 07.04. haben sich die Finanzminister*innen der EU bei einer Videokonferenz nicht auf eine gemeinsame Position einigen können. Uneinigkeit bestand vor allem bei den Corona-Bonds. Zwar sind nur die vier genannten Staaten strikt gegen die Europäischen Anleihen. Aber weil die EU-Länder die Aufnahme solcher Anleihen einstimmig beschließen müssen, können einzelne Staaten sie verhindern. Es hat also einen faden Beigeschmack, wenn ausgerechnet der deutsche Finanzminister und Vize-Kanzler Olaf Scholz (SPD) twittert: “In dieser schweren Stunde muss Europa eng zusammenstehen. Gemeinsam mit (dem französischen Finanzminister) Bruno LeMaire rufe ich deshalb alle Euroländer auf, sich einer Lösung dieser schwierigen Finanzfragen nicht zu verweigern und einen guten Kompromiss zu ermöglichen – für alle Bürgerinnen und Bürger.” In erster Linie verweigert sich aber Deutschland den Euro-Bonds. Dadurch sind die südeuropäischen Länder den Konsequenzen der Krise schonungslos ausgeliefert. In Teilen Italiens haben die Menschen schon jetzt kein Geld mehr, um ihr Essen zu bezahlen.