Der Kapitalismus ist die Krise

Wir leben in einem Gesellschaftssystem, das für seinen ständigen Zwang zu Wachstum und Profit über Leichen geht. Jetzt, in Zeiten von Corona, sehen wir, dass dieses Wirtschaftssystem es nicht verkraftet, einige Monate auf seine Profite zu verzichten. Dies hat einen weltweiten Kollaps des Systems zur Folge. Die soziale Ungleichheit in diesem Land ist so hoch wie seit über hundert Jahren nicht mehr.

Während sich einerseits ein unglaublicher Reichtum anhäuft, rutschen immer mehr Menschen in prekäre Lebensverhältnisse ab. Die Löhne steigen im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten nicht. Die Mieten steigen ins Unermessliche. Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich und der Niedriglohnsektor wächst stetig. All das sorgte bereits vor der Corona-Pandemie für eine Verschlechterung unserer Lebensverhältnisse. Eine Weltwirtschaftskrise kündigte sich schon vor Corona an. Nun steuern wir auf eine Wirtschaftskrise unbekannten Ausmaßes zu.

Es sind die Regeln des Marktes, die dazu führen, dass private Unternehmen nur das herstellen, was sich mit Gewinn verkaufen lässt. Das zeigt sich in der Krise besonders. Gerade dann, wenn Güter am dringendsten benötigt werden, also die Nachfrage wächst, können viele sie sich nicht mehr leisten. Das sieht man am Beispiel von Mundschutzmasken, Schutzanzügen oder Produkten der Pharmaindustrie. Deren Preise haben sich seit Mitte Februar vervielfacht. Daher dürfen Güter und Dienstleistungen keinen Marktgesetzen unterworfen sein.

Und die Unternehmen profitieren davon. Deshalb können sich die Profiteure eher das Ende der Welt, als das Ende des Kapitalismus vorstellen.

 

Auch die Reaktion des Staates auf die Pandemie ist verräterisch. Schulen, Kitas, Unis, Kultur- und Musikveranstaltungen, Spielplätze etc. werden geschlossen. Das öffentliche Leben steht aufgrund verhängter Ausgangssperre abseits der Arbeit weitestgehend still. So kommt es, dass wir unsere Kontakte in unserer freien Zeit beschränken sollen, während die Arbeit in Fabriken, Büros und Callcentern munter weiterläuft. Die Gewinne der Unternehmen sollen weiter sprießen und möglichst wenig gefährdet werden. Es ist bezeichnend für unser Wirtschaftssystem, dass die Arbeit in der momentanen Situation nicht einzig auf die Produktion lebensnotwendiger Güter reduziert wird. Unsere Gesundheit ist dem Staat und den Unternehmen nur so lange wichtig, wie wir ihnen als Arbeitskraft zur Verfügung steht. Oder es einen Kollaps des kaputtgesparten Gesundheitssystems zu verhindern gilt. Profit ist in diesem System alles, der Mensch zählt hingegen weniger. 

Solange es darum ging, dass Gesundheitssystem kaputt zu sparen und Sozialleistungen zu kürzen, war die Schuldenbremse des Staates unantastbar. Nun wurde sie aufgehoben und die Bundesregierung hat ein Corona-Notpaket beschlossen. Dieses lässt erahnen, wohin der Weg uns führen wird. Das Notpaket unterstützt mal wieder vor allem die Reichen und ist insbesondere an der Wettbewerbsfähigkeit und den Gewinnen der Unternehmen interessiert. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. 600 Milliarden Euro sind zur Unterstützung von Großunternehmen vorgesehen, 50 Milliarden Euro für kleine Firmen und Selbständige. Jedoch sind vor allem Kleinunternehmen und Selbständige besonders hart von den Folgen der Corona-Krise betroffen. Sie mussten ihre Läden schließen und Dienstleistungen einstellen. Rücklagen zu bilden war für diese schon im Normalbetrieb nicht möglich. Noch schlimmer stehen Minijobber dar, die nach Stundenlohn bezahlt wurden. Nachdem Läden und Unternehmen schließen mussten, verlieren sie ihren gesamten Lohn. Für sie hat die Regierung überhaupt keine Finanzhilfen geplant. Die Kosten für die Rettung der Wirtschaft wird, wie in jeder Krise in der Geschichte des Kapitalismus, der ärmere Teil der Bevölkerung zu zahlen haben.

 

Man wird uns sagen, dass wir durch diese Naturkatastrophe alle im selben Boot sitzen und unseren Gürtel enger schnallen sollen.  Es wird in diesem Zuge zu massiven Angriffen auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen kommen. Schon jetzt zeigt sich: Dort, wo die Arbeit im Ausnahmezustand auch körperlich weitergeht, werden die arbeitenden Menschen erheblichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt und Arbeitsrechte ausgehebelt. Dabei ist nicht Corona die eigentliche Krise, sondern das Wirtschaftssystem: Der Kapitalismus lässt die Corona-Krise für viele von uns zu einer existenzbedrohenden Angst werden. Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten werden sichtbarer denn je. Dass nun die ersten Unternehmer und Politiker bereits die Rückkehr zur Normalität fordern, macht deutlich, dass es durchaus im Sinne der Wirtschaft ist, notfalls über Leichen zu gehen.