Egal wie lange sie dauert: Nach der Coronakrise wird sich unser Leben grundlegend verändert haben. Auf der einen Seite erleben wir durch die Ausgangssperren eine massive Einschränkung von Grund- und Menschenrechten. Hier besteht die große Gefahr, dass Maßnahmen, die zur Eindämmung des Virus durchaus sinnvoll erscheinen, auch nach der Pandemie aufrechterhalten werden.
Andererseits zeigt sich in der Krise die Möglichkeit der grundlegenden Veränderung unserer gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Krise konfrontiert uns mit der Frage: Wie wollen wir als Gesellschaft zukünftig miteinander leben? Die staatlichen Notfallmaßnahmen und die Produktionsumstellung einiger Konzerne zeigen, dass eine am gesellschaftlichen Bedarf geplante Produktion möglich und vernünftig ist. Dass nun plötzlich innerhalb von Wochen Krankenhäuser gebaut werden, Konzerne nun statt Autos Beatmungsgeräte produzieren und vieles mehr, zeigt uns ganz konkret, wie eine bedürfnisorientierte Produktion aussehen könnte.
Zwar dient die Planung der Produktion in der momentanen Krise lediglich dazu, das Schlimmste zu verhindern, während die gesamtgesellschaftliche Produktion weiterhin an den Interessen des Kapitals orientiert bleibt. Dennoch macht es uns sichtbar, was alles geht, wenn es drauf ankommt. Und jetzt, lasst uns mal vorstellen, was alles möglich wäre, wenn wir als Gesellschaft unsere Bedürfnisse gemeinsam und langfristig planen – und diese nicht mehr nach Profitinteressen ausrichten. Wenn wir uns darauf besinnen, was im Leben wirklich wichtig ist und wie wir das gemeinschaftlich erreichen können. Was, wie und zu welchem Zweck wollen wir als Gesellschaft produzieren? Was ist relevant und wie wollen wir unsere Städte und unser soziales Zusammenleben gestalten?
Durch die Entwicklung von Maschinerie und technischem Know-How in den letzten Jahrhunderten, wäre es heute problemlos möglich, alle Menschen auf diesem Planeten aus einem Leben in Armut zu befreien. Es gibt ausreichend Wohnungen, Nahrungsmittel und Infrastruktur, damit alle Menschen weltweit in dieser schweren Zeit, aber auch danach ein menschenwürdiges Leben führen könnten. Und dort, wo dies bisher noch nicht möglich war, werden künftig alle Kräfte investiert, um menschenwürdige Lebensverhältnisse aufzubauen. Ohne, dass es dabei um irgendwelche betriebswirtschaftlichen Rechnereien und kapitalistischen Marktgesetze gehen muss. Für eine von den Zwängen des Wachstums und der Profitmaximierung befreiten Gesellschaft, wäre es ein Leichtes, in Zeiten einer Pandemie zum Schutz der Bevölkerung die gesellschaftliche Produktion von Gütern auf das Lebensnotwendige herunterzufahren. Es wäre möglich, Einschränkungen ohne Existenzängste zu überstehen, da sie die eigene Lebensgrundlage nicht gefährden würden. Menschen, deren Einkommen gerade wegbricht oder extrem reduziert wird, müssten sich keine Sorgen um ihre Existenzen machen. Denn der angehäufte gesellschaftliche Reichtum an Gütern stünde uns allen zur Verfügung. Wir müssten nicht mehr schauen, wie wir unseren Kopf über Wasser halten. Es wäre möglich, alle zur Verfügung stehenden Maschinen und Ressourcen der Welt konsequent auf den Ausbau von Krankenhäusern, der Herstellung von Beatmungsgeräten und –masken auszurichten. Gemeinschaftlich wäre es möglich einen Lockdown zu überstehen ohne danach vor dem Ruin zu stehen.
Eine vollkommen andere Gesellschaft ist möglich: Eine Gesellschaft, die nicht mehr auf den Prinzipien des Profits, der Konkurrenz und auf dem Vertrauen in freie Märkte aufbaut. Es besteht die Möglichkeit, sich der Fesseln der Logik von Wachstum und Profit zu entledigen. Die globale Produktion kann der Logik der Profitmaximierung entrissen und an den Bedürfnissen aller Menschen ausgerichtet werden. Der Kapitalismus ist das Problem und kein Naturzustand. Und außerdem stellen wir fest: Dies wäre ein Schritt, der unmittelbar jedem Menschen zugutekommen würde.
Die drohende Alternative zu diesem Schritt wäre eine Politik, die vor allem für Konzerne und weniger für deren Beschäftigte, Schutzschirme spannt. Die Folgen der Coronakrise würden auf dem Rücken der sozial Schwachen ausgetragen werden. Wohin uns dieser Weg führt, zeigt sich schon jetzt: Die Arbeitsbedingungen für die eben noch als systemrelevante Held*innen gefeierten im Gesundheitssektor verschlechtern sich gerade drastisch durch die Lockerung des Arbeitszeitgesetzes. Dies ist der Dank der Herrschenden, der uns alle erwarten wird, sobald es um die Verteilung der Kosten dieser Krise gehen wird – wenn wir nicht endlich Schluss mit diesem kapitalistischen System machen.
Nur dort, wo sich eine Kooperation und Solidarität einstellt, kann es gelingen, den ungeheuren Kräften der Märkte zu trotzen. Die ersten Zeichen der nachbarschaftlichen Solidarität, der Sorge und Rücksichtnahme sind ein großer Hoffnungsschimmer. Wir sollten uns als Nachbar*innen besser kennen lernen und gemeinsam mit euch unter dem Banner der Solidarität Strukturen aufbauen, die die kommenden Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen abwehren können. Die Solidaritäten, die wir heute knüpfen, werden die Grundlage sein, für die Kämpfe um eine Neuordnung der Welt nach Corona.